Zehnte Woche auf dem Rad

Erster Grenzübergang (mit Visum)

Dakhla – El Argoub – Chez Rachid – Bir Gandouz – Guerguerat – Nouadhibou

Es ist dunkel. Die Straße eng. Überall Laster, vor uns der rote Supermond. Wir sitzen im Auto unseres Couchsurfing-Gastgebers, irgendwo zwischen Nouadhibou und dem Nationalpark. Er kennt die Strecke seit Jahren – an den Polizeikontrollen müssen wir nicht einmal unsere Pässe zeigen. Nach unserem Empfinden fährt er recht waghalsig. Wir hoffen, er weiß, was er tut. Als wir schließlich auf eine Sandpiste in die Wüste abbiegen, sind wir zunächst erleichtert: kein Gegenverkehr mehr. Doch auch unser Chauffeur lässt sich anscheinend von dieser Tatsache beflügeln und drückt das Gaspedal durch. Das Auto springt über Bodenwellen, Kurven kommen plötzlich. Adrenalin, Lachen, Angst – alles gleichzeitig. Eine dieser Erfahrungen, die man der Familie besser nicht erzählt, wenn man sonst betont, wie gut man auf sich aufpasst.

Noch war uns der Fahrstil unbekannt

Rückblickend stellen wir fest: Wir hätten darum bitten können, langsamer zu fahren, oder gar nicht erst einsteigen können- wurden wir doch oft vor Nachtfahrten gewarnt. Aber in dem Moment war die Einschätzung schwierig. Er kannte sich aus, wir nicht. Und wir wollten ihm vertrauen, respektvoll bleiben, uns nicht anmaßen, ihm seinen Alltag zu erklären. Doch genau darin liegt das Problem: Wir möchten auf Menschen vor Ort hören, aber wir müssen auch unsere eigenen Grenzen wahren. Unwohlsein ist Grund genug, etwas zu sagen. Selbst wenn man sich dabei wie der klassische Touri mit Stock im Arsch vorkommt.

Vollends ausgestatteter Pracht-Touri

Wir wollen lernen, früher auf unser Gefühl zu hören, Situationen zu verlassen, die sich nicht gut anfühlen – und genauer hinzuschauen, von wem wir abhängig werden. In jener Nacht hätten wir ohne unseren Gastgeber nicht mehr weggekonnt. In Zukunft wollen wir uns in solchen Situationen bewusst Zeit nehmen, unser Handeln zu überdenken. Und dann bessere Entscheidungen treffen. Auf der Rückfahrt haben wir das direkt geübt und ihn gebeten, langsamer zu fahren und sind teilweise mit dem Taxi zurück gefahren.

Dafür genießen wir jetzt die Zeit auf dem Campingplatz am Meer, zu dem wir gefahren wurden. Gestern bekamen wir noch zwei große Teller mit Salat und Pommes und schliefen wie Katzenbabys.

Unser Zelt auf dem Campingplatz

Der Start der Woche war auch ein bisschen heftig für uns. Wir begannen die Tour in Dakhla, einer auf einer Halbinsel gelegenen Stadt. Und da liegt die Krux: Der Wind kommt in der Regel von Norden, sodass wir normalerweise sehr gemütlich die Straßen entlangdonnern. Um von der Halbinsel wieder herunterzukommen, hatten wir erstmal 50 km lang Gegenwind. Da wir morgens noch Dinge in der Stadt erledigten, fuhren wir in der größten Mittagshitze los. Und fühlten uns wie Dörrfleisch. Die Hitze von der Sonne, abgestrahlt von dem schwarzen Asphalt und der Wind war warm wie ein Fön. Er kam aus der Wüste und erhitzte sich über dem Sand. Laut einer anderen Radreisenden ist das der Hamattan. Als wir an der Weggabelung ankamen, an der wir wieder das Festland hinunterfuhren, mussten wir erstmal eine Sprite an der Tanke trinken und uns für eine Weile hinsetzen. Unsere Köpfe hatten gefährliche Färbungen angenommen.

Meistens sind wir trotzdem strong unterwegs

Am Abend konnten wir wieder hinter einer Tankstelle übernachten und starteten eine letzte Infernotour mit unserem kaputt gegangenen Kocher. Wir hatten für die Reise einen ziemlich platzsparenden Kocher gekauft, den man mit alkoholbasierten Flüssigkeiten füttern konnte, ein kleines Döschen mit verdunstungsreduzierendem Carbon. Wir hatten uns sehr gefreut, in Laayoune eine durchsichtige Flüssigkeit erstanden zu haben, die nach überzeugender Performance des Verkäufers eindeutig brennbar war. Und sehr große Ähnlichkeiten mit Alkohol aufwies; sie verdunstete schnell und roch nach Kleber. Doch nun fürchten wir, dass sie es war, die unserem Kocher den Garaus bereitete. Er bekam Löcher und das Feuer war nicht mehr eine kontrollierbare Flamme auf dem Döschen, sondern ein Inferno, dass das ganze Gestell erhellte und unseren Topf komplett zuruste.

Die letzten Stunden unseres Kochers

Wir bastelten einen neuen Kocher aus Coladosen, der dann ein nochmal größeres Feuer entzündete. Im Umkreis von zwei Metern wurde alles warm und wir hatten für anderthalb Minuten Ruhe vor den Fliegen. Am Ende bekamen wir unsere Spaghetti in Tomaten- und Kokossoße mit Mais, Erbsen, Karotten und Paprika ohne Verbrennungen gekocht. Mal sehen, wie unser neuer Gaskocher nun performen wird. Wir kochen im Allgemeinen selten selbst, da das Essen in Restaurants oft billiger ist, als das Dosenessen. Diese Woche ernährten wir uns wieder hauptsächlich von Omeletts und Brot. Und fuhren wieder die eine Straße Richtung Süden, immer geradeaus. Wir finden es schön, wie sich die Landschaft immer wieder verändert. Klar, wir sind durchgängig von Sand und Steinen umgeben. Doch mal sind ist die Landschaft mehr, mal weniger hügelig, der Sand ändert seine Farbigkeit, manchmal fast weiß wie Schnee.

Nach Bir Gandouz

In dieser Umgebung trafen wir auf Toon, einen Soloradreisenden aus Belgien. Mit ihm zusammen unsere weiteste Etappe der Woche, 120 km zu fahren, machte die Strecke deutlich einfacher. Wir freuen uns, ab und an andere Radreisende zu treffen und uns mit ihnen auszutauschen. Am Abend wurde sogar eine richtige Party daraus. Wir übernachteten bei Rachid mitten im nirgendwo. Er freute sich sehr, Gäste zu haben und kochte uns leckeres Omelette. Er betreibt die Wirtschaft alleine und erst seit drei Monaten, nach einem Arbeitsunfall in seinem vorherigen Job. Dann kam im Dunkeln noch ein belgisches Ehepaar auf ihren Stadträdern an und gab uns spannende Infos über Senegal weiter.

Zelten in El Argoub hinter der Tankstelle

Am Freitag überquerten wir die mauretanische Grenze. Eine Woche zuvor hatten wir in Dakhla online unsere Visa beantragt – unkompliziert, 30 Tage Gültigkeit, 55 € pro Person. Wir konnten auf der marokkanischen Seite mit unseren Rädern gepflegt an der Autoschlange vorbeifahren, wurden kurz von einem Spurhund angeschnüffelt und dann mit einem Ausreisestempel aus dem Land entlassen. Dahinter war ein drei Kilometer langer, von der Frente Polisario kontrollierter Streifen, den wir problemfrei durchquerten. Auf der mauretanischen Seite waren wir nicht widerstandsfähig genug, uns nicht von einem Helfer unterstützen zu lassen, der später Geld dafür verlangte. Dafür gelangten wir schnell durch die Kontrollen. Unsere Dirhams konnten wir an der Grenze entspannt in Ouguiya umtauschen. Jetzt fehlen uns nur noch mauretanische Sim-Karten. 15 € pro Stück kosten die für Ausländer, weswegen wir noch zögern. Unser Gastgeber meint, er könnte uns eine Sim-Karte auf seinen Namen für einen Euro besorgen. Bisher profitieren wir vom Starlink-WLAN von Elon Musks Satelliten.

An der Grenze

Am Montag wollen wir in Nouadhibou den Eisenzug ins Landesinnere, nach Choum nehmen. Auf vielen Blogs, Videos und Instagramprofilen haben wir Berichte über Zugfahrten darin gehört und alle klangen begeistert. Daher sind wir gespannt  auf unsere Erfahrung. Dann werden wir weiter durch die Wüste, vermutlich bei Rekordhitze, bis nach Nouakchott fahren.

Unser Video zu dieser Woche:


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert